Research Paper 4: Einkommensungleichheit: Entwicklung und Wahrnehmung

DI Johannes Berger
Leiter des Forschungsbereichs Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung

In der öffentlichen und politischen Debatte spielen Einkommensverteilung und Ungleichheit eine hervorgehobene Rolle. Dabei werden die Einkommensunterschiede oftmals als zu groß und stetig wachsend dargestellt. Ein Blick in die statistischen Daten zeigt hingegen, dass die Einkommensverteilung in Österreich wie auch in Deutschland in den letzten Jahren weitgehend konstant geblieben ist. Zudem wirkt die staatliche Umverteilung. So liegt der Gini-Koeffizient, das gängige Maß für die Einkommensverteilung, in beiden Ländern nach Steuern und Sozialtransfers deutlich unter dem Wert vor Steuern und Sozialtransfers. Auch wenn man andere Maße der Einkommensverteilungsmessung anlegt, bestätigt sich das Bild einer in den letzten zehn Jahren weitgehend konstanten und in der Tendenz sogar leicht rückläufigen Ungleichheit. „Das Umverteilungssystem in Österreich funktioniert“, sagt Tobias Thomas, Direktor des Wirtschaftsforschungs-instituts EcoAustria. „Im internationalen Vergleich reduzieren Steuern und Transfers die Ungleichheit ganz erheblich“, so Thomas.

Trotz keiner wesentlichen Veränderung der Einkommensverteilung steigt hingegen der Anteil der Medienberichterstattung zu Ungleichheit und verwandten Themen seit Jahren. Dies kann einen Einfluss auf die Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger haben. So zeigt eine aktuelle Untersuchung von EcoAustria und dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln, dass trotz einer stabilen Einkommensverteilung, eine intensivere Berichterstattung zum Thema Ungleichheit die Sorgen der Bevölkerung zumindest kurzfristig erhöhen kann. Langfristig werden die wirtschaftlichen Sorgen jedoch durch andere Faktoren bestimmt. So hat mit der guten Entwicklung am deutschen Arbeitsmarkt innerhalb der letzten zehn Jahre die Besorgnis der Deutschen um die allgemeine wirtschaftliche Lage deutlich abgenommen. Für die Analyse haben Wissenschafter von EcoAustria und dem IW Köln 303.100 Interviews aus dem deutschen Sozioökonomischen Panel (SOEP) im Zeitraum 2001 bis 2015 und 645.000 Berichte aus deutschen Medien ausgewertet, 3.870 davon zum Thema Ungleichheit. Die heute veröffentlichten Ergebnisse der Untersuchung werden auch auf der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik, der größten Ökonomenvereinigung in Deutschland, Österreich und der Schweiz präsentiert, die heuer vom 3. bis 6. September 2017 an der Universität Wien stattfindet.