Policy Note 31: Kalte Progression vollständig abschaffen

Mag. Ludwig Strohner                    Leiter des Forschungsbereichs Öffentliche Finanzen

Die Kalte Progression führt zu einem Anstieg der Abgabenquote und zu einer Mehrbelastung privater Haushalte. „Mit der Kalten Progression werden die Konsummöglichkeiten der privaten Haushalte erheblich eingeschränkt. Ohne Reform nimmt die Belastung von Jahr zu Jahr immer weiter zu“, sagt Tobias Thomas, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria. Ohne Anpassung des Einkommensteuertarifs würde der Durchschnittssteuersatz von heute 15,7 Prozent innerhalb von 10 Jahren auf rund 20 Prozent steigen. Damit verbunden wäre eine kumulierte Mehrbelastung der privaten Haushalte von 66,3 Mrd. Euro. Erfolgt die Tarifanpassung bei Überschreiten einer Inflationsgrenze von 5 Prozent, dann legt der Durchschnittssteuersatz moderater zu. Über zehn Jahre kumuliert steigen die Mehrbelastungen privater Haushalte aber immer noch kräftig auf 23,8 Mrd. Euro. Auch wenn der Steuertarif jährlich anhand der Verbraucherpreise angepasst wird, steigen die Mehrbelastungen privater Haushalte aufgrund produktivitätsbedingter Lohnsteigerungen. Dieser Anstieg macht kumuliert über zehn Jahre knapp 15 Mrd. Euro aus.

„Soll die Mehrbelastung der privaten Haushalte durch die Kalte Progression abgeschafft werden, sollte der Einkommensteuertarif, Frei- und Absetzbeträge jährlich automatisch an die durchschnittliche Lohnentwicklung angepasst werden“, erläutert Thomas. Regelungen zur Tarifanpassung gibt es bereits in vielen Ländern wie Belgien, Niederlande, Kanada, Schweiz oder Vereinigte Staaten. In Dänemark, Norwegen oder Schweden erfolgt dies anhand der durchschnittlichen Lohnentwicklung. „Die Indexierung des Steuertarifs ist auch ein Signal im internationalen Wettbewerb, in dem Standorte nicht nur um die Ansiedlung von Unternehmen, sondern insbesondere auch um Fachkräfte werben“, so Thomas.  

Die Mehrbelastung der privaten Haushalte durch die Kalte Progression stellt auf der anderen Seite Mehreinnahmen des Staates dar, die für finanzielle Spielräume oder für die Haushaltskonsolidierung genutzt werden können. Allerdings haben Analysen von EcoAustria gezeigt, dass bei den öffentlichen Ausgaben Effizienzpotenziale in Milliardenhöhe bestehen, die gehoben werden könnten, ohne dass sich die Leistungen des Staates verschlechtern müssten. „Gibt es über die Effizienzpotenziale hinaus weiteren Finanzierungs- und Konsolidierungsbedarf, sollte dieser transparent über den demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess legitimiert werden und nicht über die Kalte Progression „durch die Hintertür“ erfolgen“, so das Fazit einer heute veröffentlichten EcoAustria-Policy Note.