Nach der Corona-Krise nachhaltige Staatsfinanzen ansteuern

Prof. Dr. Tobias Thomas           Direktor

Statement von Tobias Thomas, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, im Rahmen des heutigen Budget-Hearings im Nationalrat:

„Wir sind in einer nie da gewesenen Situation inmitten der weltweiten Corona-Krise mit wirtschaftlichen Auswirkungen, wie wir sie seit dem 2. Weltkrieg nicht gesehen haben. Damit verbunden sind riesige Unsicherheiten was den weiteren Verlauf der Krise angeht. Natürlich hätte ich als Experte gerne eine Einschätzung zu einem Budget mit belastbaren Zahlen gegeben. Nun haben wir aber ein Budget-Hearing inmitten der Krise, mit allen Unwägbarkeiten. Wichtig erscheint mir daher heute zu erörtern, wie Österreich nach Bewältigung der Akutkrise wieder auf einen Pfad von nachhaltigem Wachstum, Wohlstand und soliden Finanzen gebracht werden kann.

Phase 1: Kurzfristmaßnahmen zur Eindämmung der Krise

Österreich ist es mit großem Handlungswillen und großer Konsequenz gelungen, die Ausbreitung der Corona-Pandemie einzudämmen. Dass beim Lockdown epidemiologische und nicht ökonomische Fragen die zentrale Rolle gespielt haben, ist nachvollziehbar. Die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus haben allerdings auch massive Auswirkungen auf sämtliche Bereiche der Wirtschaft. In dieser Situation hat Österreich umfangreiche Maßnahmen ergriffen mit dem Ziel, die Unternehmen zu sichern und die Beschäftigung zu erhalten. Ob das Maßnahmenbündel mit einem Volumen von mehr als 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts am Ende reichen wird, ist derweil eine offene Frage. Die wirtschaftlichen Folgen sind dennoch enorm. So gehen aktuelle Prognosen von einem Einbruch der österreichischen Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr um 5 bis 10 Prozent aus. Damit verbunden ist ein massiver Einbruch der Beschäftigung.

Phase 2: Lockerungen und konjunkturstimulierende Maßnahmen

Bei der Lockerung des Lockdowns gilt es, die Risiken einer größeren zweiten Welle zu minimieren. Beim Wiederhochfahrens der Wirtschaft können zum gegebenen Zeitpunkt auch konjunkturstimulierende Maßnahmen relevant werden. Ob dabei Steuererleichterungen, Anreize für private Investitionen oder öffentliche Investitionen die beste Wirkung haben, hängt vom weiteren Verlauf der Krise ab. Hierbei ist insbesondere das Timing entscheidend. So kann das Vorziehen der ersten Stufe der Einkommensteuerreform erst Sinn machen, wenn die Konsumbeschränkungen in Handel, Dienstleitungen und Gastronomie weggefallen sind. Investitionsanreize werden wiederum nur dann ihre volle Wirkung entfalten können, wenn die Unternehmen an ihre wirtschaftliche Zukunft am Standort Österreich glauben. Daher ist es besonders entscheidend, möglichst frühzeitig einen verbindlichen Fahrplan für ein Austria Recovery Program vorzulegen, um so die Erwartungen der Wirtschaftssubjekte zu stabilisieren.

Phase 3: Austria Recovery Program – gestärkt aus der Krise

Eines der Kernelemente eines Austria Recovery Program ist und bleibt die Senkung der hohen Abgabenlast. Diese führt dazu, dass den Arbeitnehmern zu wenig von den Früchten ihrer Arbeit bleibt und den Unternehmen Luft für mehr Investition genommen wird. Daher sollten die hohe Belastung des Faktors Arbeit mit Steuern und Lohnnebenkosten gesenkt werden. Nach der ersten Stufe der Einkommensteuerreform sollte aber auch für die weiteren Stufen der Einkommensteuerreform ein verbindlicher Fahrplan festgelegt werden, um die Erwartungen zu stabilisieren. Dies gilt auch für die geplante Körperschaftsteuersenkung, denn mit 25 Prozent liegt Österreich mittlerweile markant oberhalb des Durchschnitts der OECD oder der EU. Für nachhaltig bessere Standortbedingungen gehört allerdings auch dazu, dass die Abgabenlast nicht wieder steigt, sei es durch neue Steuern oder die kalte Progression. Weitere Elementen eines Austria Recovery Program sind eine Verbesserung der Bildungsstruktur der Bevölkerung und damit eine Verbesserung der Einkommens- und Beschäftigungschancen sowie das Lösen von Bürokratiebremsen. Allerdings kann der Wiederaufstieg Österreichs auch durch falsche Schlussfolgerungen und Lehren aus der Krise behindert werden:  

Ein solcher Trugschluss wäre die Abkehr vom Effizienzprinzip. Auch ich habe mich in der Corona-Krise mit der „Reserve“ bei den Spitalsbetten sicherer gefühlt. Daher kann es sinnvoll sein, zu evaluieren, welche Bettenzahlen man für Krisen vorhalten will. Keinen Grund gibt es hingegen, die öffentlichen Leistungen nicht möglichst kostengünstig bereitzustellen und so das Steuergeld der Bürgerinnen und Bürger zu schonen. In Österreich, Finnland und Portugal hat die Bevölkerung eine durchschnittliche Lebenserwartung von etwa 82 Jahren. Auch die Corona-Mortalitätsraten sind laut Johns Hopkins Universität ähnlich. Dennoch gibt Finnland pro Jahr kaufkraftbereinigt rund 750 Euro und pro Kopf weniger aus als Österreich und Portugal sogar 1.560 Euro weniger. Hier stellt sich schon die Frage, ob in Österreich jeder Euro wirklich effizient ausgegeben wird.

Natürlich muss in einem nachhaltigen Austria Recovery Program die Bekämpfung des Klimawandels nach der Corona-Krise eine zentrale Rolle spielen. Dabei zeigen die CO2-Abgabe in der Schweiz und der europäische Emissionszertifikatehandel, dass mit marktwirtschaftlichen Instrumenten Klimaziele wesentlich effizienter verfolgt werden können als mit aufwendigen Subventionsprogrammen. So kostet die Vermeidung einer Tonne CO2 durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Deutschland ein Vielfaches dessen, was die Vermeidung einer Tonne CO2 über den EU Emissionszertifikatehandel kosten. Die Folge ist, dass die Strompreise in Deutschland die höchsten in Europa sind. Ist die Ausweitung des Emissionshandels auf europäischer Ebene nicht möglich, können in Österreich marktwirtschaftliche Instrumente zur CO2-Bepreisung für die Sektoren eingeführt werden, die nicht bereits im europäischen Emissionshandel einbezogen sind. Die Einnahmen sollten dabei an die Bürger und Unternehmen rückerstattet und der Faktor Arbeit entlastet werden. So kann die „doppelte Dividende“ der Klimapolitik, also mehr Klimaschutz und mehr Wachstum und Beschäftigung, realisiert und ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit gemeinsam erreicht werden.

Phase 4: Rückkehr zu Haushaltskonsolidierung und nachhaltigen Staatsfinanzen

Die Corona-Krise hat massive Wirkungen auf der Einnahmen- und Ausgabenseite des Budgets. Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass die Staatsschuldenquote auf 80 Prozent im laufenden Jahr steigt. Ob es dabei bleibt, ist eine offene Frage. So begründbar der Anstieg der Staatsverschuldung in der besonderen Krisensituation ist, so wichtig ist es auch, in „normalen“ Zeiten Budgetdisziplin zu wahren. Aufgrund der soliden Haushaltspolitik der letzten Jahre kann Österreich in der Krise besser agieren. So ist es mit dem Wirtschaftswachstum und solider Budgetpolitik gelungen, die Staatsschuldenquote von 78 Prozent im Jahr 2017 auf 70 Prozent im letzten Jahr zu senken. Ohne Corona-Krise hätte Österreich im Jahr 2023 die 60 Prozent-Marke bei der Staatsverschuldung unterschritten und damit das Maastricht-Kriterium zum ersten Mal erfüllt. Auch nach der Corona-Krise wird es möglich sein, mit Wirtschaftswachstum, Effizienz und Budgetdisziplin die Staatsschulden wieder zu senken. Allerdings wird es ohne weitere Strukturreformen kaum möglich sein, in die Nähe der 60 Prozent-Marke zu kommen. Der Grund hierfür ist einfach: Österreichs Staatsfinanzen waren bereits vor der Corona-Krise nicht nachhaltig aufgestellt und sie werden es auch nach der Corona-Krise nicht sein.

Die Staatsausgaben werden bis zum Jahr 2060 demographiebedingt in den Bereichen Pensionen, Pflege, Gesundheit um 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen, das sind auf heute bezogen etwa 15 Mrd. Euro pro Jahr mehr. Die Demografie wirkt aber schon wesentlich früher, denn die Babyboomer gehen bereits jetzt in Pension. Das führt dazu, das in den nächsten 10 Jahren die Pensionsausgaben kumuliert um 19 Mrd. Euro höher ausfallen werden. Hierauf wird das Pensionssystem reagieren müssen. Grundsätzlich stehen hierfür nur wenige Möglichkeiten zu Verfügung: Entweder müssen die Beiträge oder Steuern steigen, was den Faktor Arbeit bzw. den Standort Österreich belastet. Oder die Staatsschulden steigen noch mehr, was die Konsolidierung in weitere Ferne rückt. Oder die Pensionen sinken, was die finanzielle Absicherung im Alter verschlechtert. Die Entscheidung ist natürlich eine politische, aber sollen sinkende Pensionen oder steigende Beiträge, Steuern oder Schulden verhindern werden, wird man um die Anpassung des gesetzlichen Antrittsalters an die Lebenserwartung nicht herumkommen.

Österreich steht vor riesigen Herausforderungen. Wenn es aber gelingt, die akuten wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zu überwinden, mit einem verlässlichen Fahrplan für ein Austria Recovery Program mit weniger Abgaben- und Bürokratiebelastung die Erwartungen zu stabilisieren und nach Überwindung der Krise die Staatsfinanzen nachhaltig zu gestalten, dann wird Österreich nach der Krise besser dastehen als zuvor und die Ziele der ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit gemeinsam erreichen können!“