Kurzanalyse 6: Trendwende von der Budget-Trendwende notwendig

DI Johannes Berger                        Leiter des Forschungsbereichs Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung

Die laxe Budgetdisziplin im „freien Spiel der Kräfte“ hat gemeinsam mit der abflachenden Konjunktur deutliche Folgen für den Staatshaushalt. So hat das Bundesministerium für Finanzen jüngst an die EU-Kommission gemeldet, dass abweichend vom Stabilitätsprogramm bereits im Jahr 2020 wieder mit einem Budgetdefizit gerechnet werden muss. „Österreich war auf einem guten Weg, das Maastricht-Kriterium von 60 Prozent Staatsverschuldung schon bald für mehrere Jahre zu unterschreiten. Mit den jüngsten Beschlüssen wird dies aber nur noch für kurze Zeit der Fall sein“, sagt Tobias Thomas, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria.

Aber auch ohne Abweichung vom Stabilitätsprogramm wäre die Staatsverschuldung wieder angestiegen, wenn keine weiteren Strukturreformen umgesetzt würden. Ursache sind steigende Ausgaben der öffentlichen Hand aufgrund der demographischen Entwicklung. So zeigt die Analyse mit dem Generationenkontenmodell Schulden-Check von EcoAustria, welches sämtliche Einnahmen und Ausgaben des Staates unter Berücksichtigung der demographischen Entwicklung und bereits beschlossener Reformen in die Zukunft projiziert, dass bis zum Jahr 2060 die Ausgaben in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Pensionen um insgesamt 4,2 Prozent des BIP steigen werden. Ohne weitere Strukturreformen lässt das die Staatsverschuldung steigen.

Mit den aktuellen Beschlüssen gerade im Bereich der Pensionen wird die mangelnde Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen in Österreich deutlich verschärft. In einer aktuellen Analyse hat EcoAustria mit dem Schulden-Check die Auswirkungen einer dauerhaften Abweichung des Primärdefizits vom Stabilitätsprogramm im Ausmaß von jährlich 0,5 Prozent des BIP untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Schuldenquote in diesem Fall bereits ab dem Jahr 2027 wieder steigen wird. Dies stellt eine deutliche Belastung künftiger Generationen dar und schränkt den finanziellen Spielraum kommender Regierungen ein. Besonders kritisch zu beurteilen sind Beschlüsse, die kurzfristig zwar nur geringe Ausgabensteigerungen zur Folge haben, langfristig jedoch erhebliche Kostenwirkung entfalten. So schlägt die Abschaffung der einjährigen Wartezeit bis zur ersten Pensionserhöhung budgetär im ersten Jahr mit nur 30 Mio. Euro zu Buche. Jedes Jahr kommt allerdings ein weiterer Jahrgang von NeupensionistInnen hinzu. Im Jahr 2050 kostet die Maßnahme bereits rund 900 Mio. Euro. Auch die neue Regelung zum abschlagsfreien Pensionsantritt nach 45 Arbeitsjahren wirkt in diese Richtung. Dies spricht mittelfristig für kräftigere Defizite über die jetzige Abweichung vom Stabilitätsprogramm hinaus. „Wenn man davon ausgeht, dass den Abgeordneten diese Kostenwirkung bewusst war, ist die Entscheidung aus budgetärer Sicht schwer nachvollziehbar“, so Thomas.

Dauerhafte Erhöhung des Primärdefizits um 0,5 % des BIP jährlich. Weitere Informationen: EcoAustria Policy Note 37 (2019).

Am Problem der mangelnden Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen in Österreich ändern auch längerfristig niedrigere Zinsen und ein günstige Arbeitsmarktentwicklung grundsätzlich nichts. In Sensitivitätsanalysen hat EcoAustria untersucht, wie sich eine um 1 Prozentpunkt geringere Arbeitslosenquote und ein um 1 Prozentpunkt geringerer Zinssatz als im Basisszenario auf die Entwicklung der Staatsverschuldung auswirkt. Die Ergebnisse zeigen, dass selbst bei einer noch günstigeren Lage am Arbeitsmarkt oder dauerhaft niedrigeren Zinsen der Anstieg der Staatsverschuldung lediglich etwas flacher verlaufen würde (siehe Abbildung 2).

AM-Szenario: um 1 Prozentpunkt geringere Arbeitslosenquote; Zins-Szenario: um 1 Prozentpunkt geringerer Zinssatz. Weitere Informationen: EcoAustria Policy Note 37 (2019).

Für mehr Nachhaltigkeit und eine generationengerechte Ausgestaltung der öffentlichen Finanzen sind verschiedene Strukturreformen angezeigt: Hierzu gehört eine Ankopplung des Pensionsantrittsaltes an die Lebenserwartung. In Österreich wird die Lebenserwartung von heute 82 Jahre bis zum Jahr 2060 auf 88 Jahre ansteigen. Die Pensionsreformen der Vergangenheit führen bereits dazu, dass die globale Ersatzrate, gemessen am Verhältnis von Durchschnittspension zum Durchschnittseinkommen, von heute 56 bis zum Jahr 2060 auf 48 Prozent sinken wird. Soll verhindert werden, dass die Pensionen weiter sinken oder die Beiträge bzw. der Bundeszuschuss erhöht werden, müsste das gesetzliche Antrittsalter von heute 65 auf 67 im Jahr 2060 angehoben werden. Damit die individuellen Abschläge dann im Schnitt nicht höher ausfallen als heute, müssten ArbeitnehmerInnen im Jahr 2060 statt heute bis 61 Jahre im Schnitt tatsächlich bis 63 Jahre arbeiten. Mit einer Anhebung des Antrittsalters darüber hinaus, könnte auch ein höheres Niveau der Pensionen oder z.B. eine stärkere Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten nachhaltig gewährleistet werden. Vor ähnlichen Herausforderungen steht die Finanzierung der Pflege. „Wird die Pflege weiterhin im Umlagesystem über Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge finanziert, führt das dazu, dass die Abgabenbelastung oder die Schulden von Generation zu Generation immer weiter ansteigen. Anders wäre das in einem System, in dem jede Generation für die eigenen Pflegerisiken anspart. Mit einem angemessenen Solidarausgleich wäre das generationengerecht und finanziell nachhaltig möglich“, so Thomas.

„Die mangelnde Budgetdisziplin macht eine große Steuerreform zwar schwieriger, sie ist aber nach wie vor möglich und auch notwendig, denn die Abgabenbelastung des Faktors Arbeit und der Unternehmen ist im internationalen Vergleich sehr hoch“, sagt Thomas. Eine deutliche Entlastung würde sich durch das kräftigere Wachstum aufgrund der Reform zu 40-50 Prozent selbst finanzieren. Der Rest sollte über Effizienzpotenziale bei den öffentlichen Ausgaben finanziert werden. So zeigt das EcoAustria Bundesländer-Benchmarking, dass in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Pflege, Wohnbauförderung und öffentliche Verwaltung allein im Bundesländervergleich ein Effizienzpotenzial von 6 Mrd. Euro pro Jahr besteht, das gehoben werden könnte, ohne die öffentlichen Leistungen für die Bürger zu verschlechtern. Im internationalen Vergleich fallen die ermittelten Effizienzpotenziale sogar noch höher aus.