DI Johannes Berger Leiter des Forschungsbereichs Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung
Nachdem Österreich in den vergangenen zehn Jahren nur wenige maßgebliche Strukturreformen im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik durchlaufen hat, sind auch in der letzten, verkürzten Legislaturperiode wenige größere Reformprojekte abgeschlossen worden. So stehen die österreichischen Staatsfinanzen weiterhin vor großen Herausforderungen. „Aufgrund der demographischen Entwicklung werden die Ausgaben in den Bereichen Pensionen, Gesundheit und Pflege im Verhältnis zum BIP bis zum Jahr 2060 kräftig ansteigen. Da diesen Ausgabensteigerungen ohne tiefgreifende Reformen keine entsprechende Finanzierung gegenübersteht, sind Österreichs Staatsfinanzen in ihrer jetzigen Verfassung nicht nachhaltig aufgestellt“, sagt Tobias Thomas, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria.
Die Analyse mit dem Generationenkontenmodell Schulden-Check von EcoAustria projiziert sämtliche Einnahmen und Ausgaben des Staates unter Berücksichtigung der demographischen Entwicklung und bereits beschlossener Reformen in die Zukunft. Die Ergebnisse zeigen, dass die Schuldenquote in den nächsten Jahren zwar unter 60% sinken wird. Ohne Strukturreformen steigt sie ab 2029 aber wieder an und reißt im Jahr 2033 die Maastricht-Grenze erneut. Danach wird die Schuldenquote ohne Reformen weiter ansteigen.
„Gleich wer das Rennen bei der Nationalratswahl am 29. September machen wird, um den Standort Österreich fit für die Zukunft zu machen, sollten Strukturreformen zur nachhaltigen Gestaltung der Staatsfinanzen beherzt angegangen werden. Gerade die demographische Entwicklung fordert dies. Die Lebenserwartung wird von heute 82 Jahre auf 88 im Jahr 2060 steigen. Mit einer moderaten Anpassung des Pensionsantrittsalters um zwei Jahre bis 2060 kann verhindert werden, dass die Abgabenbelastung immer weiter steigt, die Leistungen über bestehende Beschlüsse hinaus weiter abgesenkt werden oder die Lücken im Pensionssystem mit Staatsschulden aufgefüllt werden müssen“, erläutert Thomas.
Vor ähnlichen Herausforderungen steht die Finanzierung der Pflege. „Wird die Pflege weiterhin im Umlagesystem über Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge finanziert, führt das dazu, dass die Abgabenbelastung oder die Schulden von Generation zu Generation immer weiter ansteigen. Anders wäre das in einem System, in dem jede Generation für die eigenen Pflegerisiken anspart. Mit einem angemessenen Solidarausgleich wäre das generationengerecht und finanziell nachhaltig möglich“, so Thomas.