Policy Note 46: Die Auswirkung der Digitalisierung auf CO2-Emissionen

Dr. habil. Wolfgang Briglauer        Leiter des Forschungsbereichs Digitalisierung und Regulierung

Der Klimaschutz und Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels sind national wie international bestimmende Themen der öffentlichen Debatte. Dazu haben unter anderem Expertenberichte der Vereinten Nationen beigetragen. Der Megatrend Digitalisierung bietet auf Basis von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) erhebliche Potenziale für Effizienzverbesserungen und die Reduktion von Transaktionskosten in beinahe allen relevanten gesamtwirtschaftlichen Bereichen.

Als sogenannte Schlüsseltechnologie bringen IKT-basierte digitale Anwendungen hohe Wohlfahrtsgewinne mit sich. Durch die Digitalisierung können aber auch positive gesamtwirtschaftliche Effekte für den Umwelt- und Klimaschutz entstehen. Gleichwohl werden in der öffentlichen und politischen Debatte häufig die negativen Effekte der Digitalisierung vor allem in Hinblick auf einen zunehmenden Energie- und Ressourcenverbrauch angeführt.

Aufgrund des ständig steigenden Internetverkehrs, aber auch der steigenden Qualitätsanforderungen, investieren Telekommunikationsunternehmen seit Jahren in einen massiven Ausbau digitaler Infrastrukturen (Glasfaser, 5G). Auch diese gehen einerseits mit Ressourcen- und Stromverbrauch, andererseits aber auch mit vielseitigen positiven Enabler-Effekten der Digitalisierung auf Anwendungsebene einher. Da Digitalisierung ein genereller Trend ist, der beinahe alle gesellschaftlichen Bereiche und wirtschaftlichen Sektoren umfasst, lässt sich angesichts vielschichtiger und gegenläufiger Effekte a priori nichts über den Gesamteffekt der Digitalisierung auf den Ressourcenverbrauch im Allgemeinen und die CO2-Emissionen im Speziellen sagen – letzteres ist daher eine rein empirische Frage.

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Theoretische Überlegungen zeigen, dass die Digitalisierung in einigen Bereichen durchaus als treibende Kraft und große Chance für den Weg zu einer nachhaltigeren Gesellschaft mit mehr Klimaschutz gesehen werden kann. Jedoch wird auch vermehrt vor einer zu großen Hoffnung, verbunden mit dem Verweis auf mögliche Risiken durch nicht vorhersehbare bzw. nicht berücksichtigte Rebound-Effekte, gewarnt. Ebenfalls wurde auf den stark steigenden Verbrauch von Ressourcen, die zur Herstellung und den dauerhaften Betrieb der IKT-Technologie notwendig sind, verwiesen.

Grundsätzlich führen die direkten Effekte der Digitalisierung immer zunächst zu einem Material- und Energiebedarf und damit zu einer höheren Umweltbelastung. Ihnen gegenüber stehen jedoch die indirekten Effekte der Effizienzgewinne und positiven Ersatzwirkungen, die in unterschiedlichem Maße Relevanz entfalten können, sowie der Enabler-Effekt, der komplett neue und innovative Anwendungen, die vorher schlichtweg nicht denkbar waren, erst ermöglicht.

Die empirischen Ergebnisse dieser Studie entsprechen im Wesentlichen den bisherigen empirischen Untersuchungen, wonach die CO2 senkenden indirekten Effekte die CO2 erhöhenden direkten, indirekten und systemische Effekte im Durchschnitt überwiegen. Für schnelle glasfaserbasierte Breitbandverbindungen konnten diese unterschiedlichen Wirkungskanäle durch Aufnahme von angebots- und nachfrageseitigen Messgrößen zudem explizit überprüft werden. Es zeigte sich, dass neben dem absenkenden Effekt für Basisbreitbanddienste auch ein absenkender Effekt für die Nutzung neuer glasfaserbasierter Breitbandzugangsdienste bzw. damit verbundener Diensteanwendungen resultierte. Der Anstieg in der Basisbreitbandnutzung in Österreich im Zeitraum 2002-2019 führte zu einer Absenkung in Höhe von insgesamt 7,09 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Im Gegensatz zum indirekten Effekt weist der direkte Effekt in Verbindung mit schnellen Breitbandinfrastrukturen ein positives Vorzeichen aus, ist jedoch insignifikant.

Aus der empirischen Analyse lässt sich – in weitestgehender Übereinstimmung mit der vorliegenden relevanten empirischen Literatur – der Schluss ableiten, dass pauschale Politikmaßnahmen in Hinblick auf IKT-Anbieter oder Digitalisierungsdienste nicht der identifizierten Heterogenität der zugrunde liegenden Effekte gerecht werden würden und somit mit Ineffizienzen einhergingen.

So gehen von bestehenden IKT-Diensten – wie insbesondere den Breitbandzugangsdiensten – insgesamt leicht absenkende CO2-Effekte aus. Bei anderen Bereichen des IKT-Ökosystems entstehen hingegen auch künftig hohe Stromverbräuche und entsprechende negative Externalitäten in Bezug auf resultierende CO2-Emissionen.

In sehr hohem Maße kam es in den vergangenen Jahren etwa zu einem massiven Anstieg des Internetdatenverkehrs in Verbindung mit Video Streaming Diensten. Der Anteil an der gesamten Internutzung ist hier in den letzten Jahren sehr stark gestiegen und in der Folge auch die Energie- und Stromverbräuche im Zusammenhang mit der Bereitstellung dieser Dienste. Die gesamten Video Streaming Dienste sowie Video-Downloads stellen gegenwärtig Industrieexpertisen zufolge schon weit mehr als die Hälfte des gesamten globalen Internetverkehrs dar und dieser Anteil wird in den nächsten Jahren noch deutlich zunehmen.

Mit besonders stromverbrauchsintensiven Streaming-Diensten gingen also auch entsprechende hohe CO2-Emissionen in der Vergangenheit einher, was mittelfristig noch stärker ausgeprägt sein wird. Allfällige regulatorische Eingriffe in das komplexe IKT-Ökosystem müssten zudem punktuell unter Berücksichtigung der vielseitigen sektoralen Wechselwirkungen abgestimmt sein.

Neben Interventionen, die auf eine Reduktion von besonders ressourcenintensiven Anwendungsbereichen mit hohen CO2-Emissionen abzielen, wäre umgekehrt auch eine Förderung von digitalen Diensten und IKT-Bereichen mit CO2 senkenden Gesamteffekten denkbar. Nationale Fördermaßnahmen wären hier auch für jene CO2 senkenden Bereiche und Diensteanwendungen denkbar, wo die Entwicklung generell oder speziell für Österreich noch am Anfang steht, aber mittelfristig besonders hohes Potenzial zu CO2-Reduktionen entfalten könnte.