Das Gespenst der Inflation

Die Inflation – also die Rate der Teuerung von Gütern und Dienstleistungen des üblichen Bedarfs – betrug in Österreich im Juli dieses Jahres 2,9 Prozent – ein Höchstwert seit 2011. Die Erzeugerpreise des produzierenden Bereichs haben sich sogar um 8,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat verteuert. Doch wie groß ist das Risiko, dass die Inflation auf Dauer bleibt?

Die aktuelle Inflation hat mehrere Ursachen: In der Pandemie hatten die Konsumenten weniger Anlässe und Möglichkeiten, ihr Geld auszugeben. Gleichzeitig war ihr Einkommen aufgrund großzügiger Unterstützungsinstrumente größtenteils abgesichert. Das führte dazu, dass sich die Sparquote im Jahr 2020 verdoppelte – und dieses Geld wird nun ausgegeben, für Industriegüter und Dienstleistungen, etwa in der Gastronomie und für Reisen – für Branchen also, die ihre Preise nach oben angepasst haben, um erlittene Verluste wieder wettzumachen. Die hohe Nachfrage trifft außerdem gerade auf ein weiterhin beschränktes Angebot; Kapazitätsprobleme in den Lieferketten tragen ihr Übriges dazu bei, wenn Pandemiebekämpfungsmaßnahmen in chinesischen Güterhäfen die Versorgung mit Konsumgütern hierzulande lahmgelegen. Außerdem ist der so genannte Basiseffekt dafür verantwortlich, dass die Inflation so hoch ausfällt: Die Höhe der Inflation bezieht sich nämlich immer auf die Veränderung zum vorangegangenen Jahr. Und im Juli 2020 waren die Preise aufgrund der fehlenden Nachfrage und wegen sehr günstiger Rohölpreise besonders niedrig.

An sich ist diese derzeit zu beobachtende Inflation kein Grund zur Sorge. Sie wird sich nach der Pandemie wieder stabilisieren, sobald der wirtschaftliche Aufschwung nachlässt – wohl um die Mitte des Jahres 2022. Dennoch müssen wir aufmerksam bleiben, wenn etwa den aktuell erhöhten Teuerungsraten ein stärkeres Gewicht in den für den Herbst geplanten Lohnverhandlungen beigemessen wird. Bei Lohnabschlüssen über 3 oder 4 Prozent käme es zu einer zusätzlichen Nachfrage, was die Teuerung weiter befeuern würde. Diese so genannte Lohn-Preis-Spirale könnte die Inflation dann tatsächlich verfestigen – und die Befürchtung, dass es genau dazu kommen könnte, ist keineswegs übertrieben: Traditionell sind die ersten Abschlüsse in den Metallerverhandlungen ein Indikator für alle weiteren Kollektivverträge, und gerade die Industriebranchen sind derzeit mit einem sehr hohen Fachkräftemangel konfrontiert. Der Druck auf die Arbeitgeber, die Löhne nach oben anzupassen, ist hoch. Eine weitere Teuerung könnte dann aber auch eine Reaktion der Notenbanken erfordern – etwa eine Erhöhung des Leitzinses, was im Moment aufgrund des Risikos einer Schuldenkrise gar nicht so einfach wäre.

Langfristig wird die Inflation weniger durch Konjunkturschwankungen als vielmehr durch strukturelle Komponenten und die Geldpolitik beeinflusst. Die aktuell lockere Geldpolitik befeuert vor allem die Preise von Anlagen, an den Finanzmärkten ist derweil von einer Überschussliquidität in Rekordhöhe die Rede. Investoren kaufen damit Aktien, Immobilien, Gold und Unternehmensanleihen, die Preise dieser Vermögenswerte steigen. Man nennt dieses Phänomen „Vermögenspreisinflation“, aktuell sind davon besonders Immobilien betroffen: Die Häuserpreise sind im Jahr 2020 im Schnitt um 11,6 Prozent gestiegen. Wohnungen verteuerten sich um 7,4 Prozent und Mieten gingen um 5 Prozent nach oben – trotz der tiefgreifenden Wirtschaftskrise. Zum Teil tragen diese Werte zur allgemeinen Inflation bei, längerfristig kommt auch die Alterung der Gesellschaft als wichtiger Inflationstreiber dazu: Immer mehr zahlungsstarke ältere Kohorten treffen auf immer weniger jüngere Kohorten, die noch Güter produzieren.

Ob vorübergehend oder nicht: wer Geld auf dem Sparbuch hat, freut sich natürlich über keine Inflation. Bereits niedrigere und vorübergehende Teuerungen sind in Österreich besonders problematisch, weil die meisten Sparer durch negative Realzinsen auf ihre Sparbuchguthaben Geld verlieren. Nur etwa 5 Prozent der Menschen in Österreich besitzen Aktien, in Dänemark und in der Schweiz sind es rund 25 Prozent. Eine gute Finanzbildung wäre also die beste Versicherung gegen das Inflationsgespenst – in der kurzen und in der langen Frist.

Erschienen im Trend am 10. September 2021 
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