Strompreise für Industrie und Gewerbekunden im europäischen Vergleich

Der russische Angriff auf die Ukraine hat neben den dramatischen Folgen für die dortige Bevölkerung enorme Auswirkungen auf die europäischen Energiemärkte und Wettbewerbsfähigkeit. So kam es vor allem zu  einem starken Anstieg der Erdgaspreise. Da Erdgas in Österreich insbesondere in den Wintermonaten eine bedeutende Rolle für die Stromproduktion spielt, hatten diese Preissteigerungen direkte Auswirkungen auf die Elektrizitätspreise. Trotz moderater Nettostrompreise lagen die Bruttopreise in Österreich wegen hoher Nebenkosten bereits vor dem Ukrainekrieg über dem europäischen Durchschnitt, was bereits in der Vergangenheit die internationale Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie beeinträchtigt hat. In den letzten beiden Jahren hat sich die Situation noch deutlich verschärft. Vor diesem Hintergrund hat das Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria die Entwicklung der Energiepreise für gewerbliche und industrielle Kunden in Europa analysiert, um mögliche Aufholpotenziale für Österreich zu eruieren.  

Die Ergebnisse zeigen, dass im internationalen Vergleich ein höherer Anteil erneuerbarer Energien in der Stromproduktion mit niedrigeren Nettopreisen korreliert, wobei der stärkste Effekt bei Windenergie zu beobachten ist. So führt etwa ein Anstieg des Einsatzes von Windenergie um 10 Prozent zu einer Reduktion der Strompreise um bis zu 4,8 Prozent. Auch Wasserkraft hat einen signifikanten, wenn auch geringeren Einfluss auf die Preisreduktion. Allgemein lässt sich feststellen, dass der Rückgang der Strompreise in Österreich langsamer verläuft als in anderen europäischen Regionen wie beispielsweise in Skandinavien.  

Um die Kosten für elektrische Energie zu reduzieren, und damit die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie zu stärken, ist laut EcoAustria an mehreren Stellen zu drehen. Da Abgaben in Österreich einen großen Teil des Bruttopreises ausmachen, ist es aus Sicht des Instituts sinnvoll, die bestehende Aussetzung des Erneuerbaren-Förderbeitrages sowie die Senkung der Elektrizitätsabgabe auch in den kommenden Jahren fortzusetzen. Ein weiterer relevanter Aspekt betrifft den Leistungspreis, der Verbraucher dazu anregen soll, Leistungsspitzen zu vermeiden. Dieses sogenannte „Peak Shaving“ ist aus der Perspektive der Verteilnetzbetreiber sinnvoll, da es zu geringen Schwankungen beim Stromverbrauch führt. Angesichts der Energiewende und der zunehmenden Bedeutung volatiler Energieträger wie Wind und Sonne wird jedoch zunehmend mehr lastabhängige Flexibilität statt stabilem Verbrauch benötigt. Aus diesem Grund muss das Verhältnis von Arbeits- zu Leistungspreis überdacht werden, um so die Nachfrageflexibilität zu erhöhen. 

„Um den Anteil erneuerbarer Energieträger an der Stromerzeugung rasch zu erhöhen und die preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, ist zudem auch die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energieprojekte unerlässlich“, erklärt EcoAustria Direktorin, Monika Köppl-Turyna. 

In Europa gibt es zwar formal einen Binnenmarkt für Strom, allerdings führt die unzureichende Leitungsinfrastruktur dazu, dass die komparativen Vorteile einzelner Länder und Regionen in der Stromerzeugung nicht in vollem Ausmaß genutzt werden können. EcoAustria betont daher die Notwendigkeit, die europaweite Integration des Strommarktes voranzutreiben. „Dafür braucht es ein stärker gemeinsames Vorgehen der europäischen Mitgliedstaaten, um sowohl bestehende Koordinierungsprobleme zu beseitigen als auch die Effizienz bei der Erzeugung und Verteilung der Energie zu steigern“, plädiert Köppl-Turyna. 

Nicht zuletzt sollten sich politische Bemühungen auch auf technologische und ökonomische Möglichkeiten für die Speicherung von Energie fokussieren. „Es müssen Modelle gefunden werden, um Angebot und Nachfrage künftig miteinander in Einklang zu bringen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist in diesem Zusammenhang eine Abwägung des Einsatzes von Kapazitäten erforderlich“, so Köppl-Turyna abschließend.