Kurzanalyse 16: Wirkung der Energiepreise auf die österreichische Wirtschaft

Die Preise für Strom und Erdgas am Großhandelsmarkt haben in den letzten Wochen neue Rekordhöhen erreicht: Zwischen Anfang 2019 und Mitte 2021 kostete eine Megawattstunde Strom am Spotmarkt im Monatsdurchschnitt zwischen 17 und 56 Euro, im Dezember 2021 knapp 250 Euro – das entspricht einer Vervielfachung. Die Erdgaspreise unterlagen einer ähnlichen Dynamik. Zwar sind die Preise im Jänner leicht zurückgegangen, aber die Verunsicherung bleibt: Wie lange geht das so weiter? Und wie wirkt sich das auf unser Leben aus?

Der ersten Frage können wir uns mit Hilfe der „Terminmarktfutures“ annähern. Dabei handelt es sich um die aktuell gehandelte Preise für zukünftige Strom- und Erdgas-Lieferungen. Futures-Preise bilden die Einschätzung der Marktteilnehmer in Bezug auf die künftige Entwicklung von Angebot und Nachfrage ab und dienen den Energielieferanten zur Preisabsicherung ihrer Endkundentarife. Für das Jahr 2022 werden weiterhin extrem hohe Preise erwartet, auch wenn der Peak überschritten zu sein scheint. Auf die noch längere Sicht erwarten die Marktteilnehmer bei Erdgas wieder eine Normalisierung der Preise, bei Strom dürfte das Preisniveau zumindest doppelt so hoch wie vor der Corona Krise bleiben. Dies wird bei den Haushalten langfristig zu einer Verdopplung der Stromkosten (exkl. Netzkosten und Steuern) führen.

Möglicherweise halten die Marktteilnehmer die aktuellen Angebotsengpässe bei Erdgas für ein temporäres Problem, weil es z. T. auch politisch bedingt ist. Die Kosten der Stromproduktion werden ihrer Einschätzung nach hoch bleiben und steigen, auch wegen der nationalen und internationalen Bestrebungen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes. Die Preise der langfristigen Futures für Emissionshandelsrechte im Rahmen des EU-ETS bestärken diese Erwartung.

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Aufgrund der zumeist langfristigen Beschaffungsstrategien der Energieversorger sind die Preisanstiege am Großhandelsmarkt erst zum Teil bei den Endkunden angekommen und weitere Tariferhöhungen sind zu erwarten. Entscheidend wird sein, wie die Haushalte und die Industrie auf diese Preisänderungen reagieren. An der Nachfrage wird sich zunächst nicht viel ändern, die Preiselastizität bei Energie ist kurzfristig eher gering. Rund 900.000 private Haushalte brauchen das Erdgas nun mal zum Heizen und zur Warmwassergewinnung. Auch eine spürbare Reduktion des Stromverbrauchs ist eine knifflige Aufgabe in der kurzen Frist. Also wird wohl an anderer Stelle gespart werden müssen.

Auf die Wirtschaft könnten sich diese Entwicklungen dramatisch auswirken. Nicht nur die Haushalte, auch die energieintensive Industrie müsste mit höheren Kosten umgehen. In einem weiteren Schritt würden sich die höheren Energiekosten in den Konsumentenpreisen widerspiegeln. Private Haushalte wären dann nicht nur mit sehr hohen Preisen für Strom und Gas, sondern auch noch mit einem allgemeinen inflationären Druck konfrontiert.

Der Anstieg der Energiepreise steht mit der Strategie zur CO2-Reduktion in Einklang. Wenn aber nicht gleichzeitig dafür Sorge getragen wird, dass die Kaufkraft der Konsumenten nicht leidet und Unternehmen nicht weiter belastet werden, wäre diese nur wenig nachhaltig. Daher muss an anderer Stelle nachgeschärft werden, zum Beispiel durch eine Senkung der Einkommensteuer, eine Abschaffung der Kalten Progression oder die Etablierung treffsicherer Zuschüsse. Und: Die weiteren Abgaben auf elektrische Energie, wie etwa der Ökostromförderbetrag oder die Ökostrompauschale, könnten wieder kassiert werden – denn wenn die Preise wie erwartet steigen, kommt es auf deren Lenkungswirkung nicht mehr an.