Research Paper 18: Auswirkungen des Wahlsystems auf die politische Repräsentation von Frauen

Den Auswirkungen des Wahlsystems auf die politische Repräsentation von Frauen widmen sich Monika Köppl-Turyna und Jaroslaw Kantorowicz (Universität Leiden) in einer neuen Studie. Anhand eines natürlichen Experiments vergleichen sie, ob Frauen mit höherer Wahrscheinlichkeit in einem Verhältniswahlsystem oder einem Mehrheitswahlsystem in ein politisches Amt kommen.

Frauen sind weiterhin auf der ganzen Welt unterrepräsentiert in legislativen Ämtern. Gleichzeitig gibt es mehr und mehr wissenschaftliche Belege dafür, dass Frauen sich in politischen Ämtern für andere Politikergebnisse einsetzen, als ihre männlichen Kollegen. Deshalb widmet sich die Literatur zunehmend der Aufgabe herauszufinden, wie ein politisches System gestaltet werden kann, in dem Politikergebnisse in gleichem Umfang von Frauen und Männern beeinflusst werden.

Ob ein Verhältniswahlsystem oder ein Mehrheitswahlsystem für mehr weibliche Repräsentation sorgt, untersuchen Monika Köppl-Turyna und Jaroslaw Kantorowicz deshalb anhand eines Beispiels aus Polen. Sie ziehen Daten über Kandidaturen und Wahlergebnisse auf kommunaler Ebene heran, mit Bezug auf eine Wahlrechtsänderung in Polen, nach der Kommunen unter 20.000 Einwohner ihre Kommunalvertretung zwischen 2002 und 2010 nach dem Mehrheitswahlrecht wählen, während Kommunen über dieser Marke nach dem Verhältniswahlrecht wählen. Hierzu ziehen sie eine Regression Discontinuity Analyse heran und berechnen, wie sich die unterschiedlichen Wahlsysteme auf den Anteil weiblicher Ratsmitglieder auswirkt.

Die bestehende Literatur deutet darauf hin, dass ein Verhältniswahlsystem vorteilhaft für die politische Repräsentation von Frauen ist. Die vorliegende Studie unterscheidet sich von der Mehrheit der Literatur allerdings in mindestens drei Aspekten: Sie untersucht die kommunale Ebene, im Gegensatz zur nationalen, die in der breiten Literatur häufig herangezogen wird; sie nutzt dafür mit Polen eine vergleichsweise junge Demokratie, in der der soziale Status von Frauen vergleichsweise hoch ist (was die Auswirkungen von Voreingenommenheit der WählerInnen gegenüber Frauen auf das Wahlergebnis mildern sollte) und ein Land, in dem Parteistrukturen weniger relevant für die Kandidatur um politische Ämter sind.

Konträr zur bestehenden Literatur finden Monika Köppl-Turyna und Jaroslaw Kantorowicz heraus, dass auf lokaler Ebene ein Mehrheitswahlsystem zu mehr weiblicher Repräsentation in der Legislative führen kann. Die Analyseergebnisse für die Kommunalwahlen in Polen, während des Zeitraumes in dem die Unterscheidung in Mehrheits- und Verhältniswahlrecht galt, zeigen, dass in Kommunen, in denen aufgrund der Einwohnerzahl über 20.000 Mehrheitswahlrecht galt, bis zu drei bis sechs Prozentpunkte weniger Frauen in den Kommunalrat gewählt wurden. Des Weiteren wurde in Kommunen mit Verhältniswahlrecht ein kleinerer Anteil der kandidierenden Frauen gewählt. Dieser Anteil war um acht Prozentpunkte geringer, als in Kommunen mit unter 20.000 EinwohnerInnen, in denen das Verhältniswahlrecht gilt.

Die AutorInnen identifizieren drei in der Literatur besprochene mögliche Wirkungskanäle, die das Mehrheitswahlrecht auf kommunaler Ebene vorteilhaft für die Repräsentation von Frauen machen könnten. Erstens sind die Kosten der Kandidatur im Mehrheitswahlsystem geringer. Zweitens kann ein parteiinternes Nominierungsverfahren und der damit einhergehende Wettbewerb umgangen werden, was tendenziell wettbewerbs-averse Frauen von einer Kandidatur abhalten könnte. Außerdem zeigt sich in den Daten, dass parteiinterne Nominierungsverfahren eher zu Kandidaturen von Männern führen, als von Frauen. Drittens finden sich zwar in Kommunen mit Verhältniswahlrecht genau so viele weibliche Kandidatinnen auf den Wahlzetteln wie in Kommunen mit Mehrheitswahlrecht, allerdings werden sie vornehmlich auf unteren Listenplätzen platziert, wo eine erfolgreiche Kandidatur weniger wahrscheinlich ist.

Die Erkenntnisse haben Implikationen für die Gestaltung von Wahlsystemen, in denen Frauen und Männer gleichsam repräsentiert werden und somit die gleichen Möglichkeiten haben sollen, Politikergebnisse zu beeinflussen. Weiterhin zeigen Monika Köppl-Turyna und Jaroslaw Kantorowicz, dass die in der Literatur vorherrschende Erkenntnis, dass Verhältniswahlrecht die legislative Repräsentation von Frauen fördert, nicht in jedem Kontext gilt.