DI Johannes Berger
Leiter des Forschungsbereichs Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung
Im Auftrag der Wirtschaftskammer Wien hat EcoAustria die Potenziale und Möglichkeiten zur Stärkung des Arbeitskräfteangebots in Österreich untersucht. Die Studienergebnisse zeigen, dass die Höhe und Struktur der öffentlichen Abgaben, Regelungen in der Arbeitslosenversicherung, Qualifizierungsmaßnahmen sowie Sozial- und Familienleistungen einen signifikanten Einfluss auf den Arbeitsmarkt haben.
Insbesondere wird festgestellt, dass hohe Abgaben zu Arbeitslosigkeit führen und die Arbeitsmarktpartizipation verringern. Eine lange Anspruchsdauer auf gleichbleibend hohes Arbeitslosengeld führt zu einer Verlängerung der Arbeitslosigkeitsdauer. Auch die Möglichkeit der geringfügigen Beschäftigung während der Arbeitslosigkeit zeigt ähnliche Effekte und führt zu einer längeren Dauer der Arbeitslosigkeit sowie zu geringerem Einkommen nach Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt. Weiterbildung ist ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Wiedereingliederung von Arbeitslosen. Auch der Ausbau von Kinderbetreuung hat einen positiven Einfluss auf das Arbeitsangebot.
„Jede dieser Maßnahmen trägt einen Teil dazu bei, das Arbeitskräftepotenzial zu stärken. Demnach muss an mehreren Stellschrauben gedreht werden, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken“, erklärt Johannes Berger, Leiter des Forschungsbereichs Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung bei EcoAustria.
Konkret empfiehlt EcoAustria folgende Reformansätze, um das Arbeitsangebot in Österreich zu erhöhen und den Fachkräftemangel zu reduzieren:
1. Abgabenbelastung senken: Eine Senkung der im internationalen Vergleich hohen Abgabenbelastung auf Einkommen stärkt nicht nur die Einkommen der privaten Haushalte, sondern stimuliert auch das Arbeitsangebot. Eine Reduktion der Lohn- und Einkommensteuer um 1 Prozent des BIP könnte zu einer Ausweitung des Arbeitsangebots um 22.500 Personen führen und die Arbeitslosigkeit um etwa 16.000 Personen reduzieren.
2. Steueranreize optimieren: Das Steuersystem muss auf Anreizkompatibilität bezüglich des Arbeitsangebots überprüft werden. Viele Regelungen begünstigen Teilzeiterwerbstätigkeit, wie der Alleinverdienerabsetzbetrag oder die Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld. Umverteilung setzt in Österreich an sehr vielen Punkten und bei unterschiedlichen Ebenen an (vom Steuertarif bis hin zu einkommensabhängigen Kostenbeiträgen), sodass die Verteilungswirkungen insgesamt nicht mehr ersichtlich sind. Eine stärkere Konzentration der Umverteilung auf die Lohn- und Einkommensteuer könnte Ineffizienzen im Verteilungssystem reduzieren, Treffsicherheit und Transparenz erhöhen und das Arbeitsangebot stärken.
3. Erwerbsbeteiligung Älterer steigern: Nur wenige OECD-Länder haben ein ähnlich geringes tatsächliches Pensionsantrittsalter wie Österreich. Ein höheres Antrittsalter stärkt nicht nur die Nachhaltigkeit des Sozialsystems, sondern erhöht auch deutlich das Arbeitsangebot und kann die Altersarmut reduzieren. Zudem müssen Sozialleistungen auf mögliche negative Auswirkungen auf das Arbeitsangebot hin überprüft werden. Reformen bei Witwen- und Witwerpensionen könnten beispielsweise die Arbeitsanreize von Frauen erhöhen, wie die empirische Evidenz zeigt.
4. Arbeitsmarktpolitik reformieren: Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik kann eine Umgestaltung der Arbeitslosenunterstützung oder eine Einschränkung bei den Zuverdienstmöglichkeiten zu einem höheren Arbeitsangebot führen. Die Ausweitung der Qualifizierungsmaßnahmen im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik wirkt ebenfalls positiv auf das Arbeitsangebot, indem Personen leichter in Beschäftigung gebracht werden können. Wichtig ist dabei, dass angeeignete Qualifikationen mit den nachgefragten Qualifikationen möglichst gut übereinstimmen. Dies sollte durch eine verstärkte Kooperation mit den Unternehmen erfolgen, u.a. im Bereich von Umschulungs- bzw. Berufsausbildungsmaßnahmen.
5. Kinderbetreuungsangebot ausbauen: Ein weiterer Ausbau des Kinderbetreuungsangebots und längere Öffnungszeiten stärken besonders das Arbeitsangebot von Frauen, indem Vollzeitbeschäftigung mit Kinderbetreuung vereinbar wird.
6. Qualifizierte Migration stärken: Der Abbau bürokratischer Hemmnisse, insbesondere in Bezug auf die Rot-Weiß-Rot-Karte, und Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität Österreichs für internationale Fachkräfte können den Fachkräftemangel mildern.
7. Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse vereinfachen: Eine effizientere, schnellere und transparentere Anerkennung ausländischer Qualifikationen erleichtert weiters die Aufnahme eines qualifizierten Beschäftigungsverhältnisses. Hilfreich sind demnach eine stärker kompetenzorientierte statt curriculabasierte Anerkennungslogik sowie eine gemeinsame Gutachtenstelle mit digitalem Portal für eine klarere, transparentere und einfachere Abwicklung.
8. Arbeitsmarktzugang für Asylsuchende verbessern: Schließlich können die Kriterien des Arbeitsmarktzuganges für Asylsuchende gelockert werden, die eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Aufenthaltsanerkennung haben. Dies hat auch den Vorteil, dass Personen, deren Asylverfahren positiv abgeschlossen wird, dann bereits über Arbeitsmarkterfahrung und bessere Sprachkenntnisse verfügen würden.