Budget-Hearing: Österreich vor Herausforderungen

Statement von Priv.-Doz. Dr. Monika Köppl-Turyna, Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, am 6.11.2020 im Rahmen des Budget-Hearings im Nationalrat:

„Die Situation ist einmalig, es ist Gebot der Stunde eine Insolvenzenwelle und Arbeitslosigkeit zu verhindern. Dennoch ist es genau so wichtig einen Plan auszuarbeiten, wie wir erstens die Wirtschaft wieder auf den Wachstumspfad bringen und zweitens Staatsfinanzen nach der Krise sanieren.  

Wir sind nun in einem zweiten Lockdown und es herrscht eine große Unsicherheit darüber, wie stark die Wirtschaft in den kommenden Monaten unter der Pandemie leiden wird. Jetzt ist die Zeit dafür, Geld in die Hand zu nehmen und die Solvenz der Unternehmen sowie Arbeitsplätze zu sichern. Bestehende Instrumente wie Kurzarbeit, Fixkostenzuschuss oder Verlustrückträge haben sich bisher bewährt, auch wenn bei der einen oder anderen Stelle noch nachjustiert werden muss. Dennoch ist das Budget nicht unendlich groß und wir werden auch mit der Frage konfrontiert, welche Maßnahmen größere Treffsicherheit aufweisen und den strukturellen Wandel in der Wirtschaft aktiv begleiten. Es wäre sinnvoll und angebracht beschlossene Maßnahmen laufend in Hinsicht auf Kosten, Nutzen und Treffsicherheit zu evaluieren.

Sobald die akute Krise vorbei ist, heißt es die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen und durch weitgehende Reformen Österreichs Wirtschaft moderner und resilienter zu gestalten.

Wie kommen wir gestärkt aus der Krise?

Eines der Kernelemente ist und bleibt die Senkung der hohen Abgabenlast. Diese führt dazu, dass den Arbeitnehmern zu wenig von den Früchten ihrer Arbeit bleibt und den Unternehmen Luft für mehr Investitionen genommen wird. Daher sollte die hohe Belastung des Faktors Arbeit mit Steuern und Lohnnebenkosten gesenkt werden. Wichtig ist auch, dass die Abgabenlast nicht wieder heimlich steigt, in dem die kalte Progression endlich abgeschafft wird. Der Körperschaftsteuersatz liegt seit knapp 15 Jahren bei 25 Prozent. Zwischenzeitlich haben allerdings viele Länder die Körperschaftsteuer gesenkt. Damit liegt Österreich heute deutlich über dem EU-Durchschnitt von rund 21 Prozent. Das ist ein Nachteil für den Wirtschaftsstandort. Andere Maßnahmen könnten weiters behilflich sein, um die Steuerlast der Unternehmen zu mildern und Investitionen auslösen, und gleichzeitig zur Stärkung der Eigenkapitalquote der Unternehmen beitragen. Dazu gehört die steuerliche Gleichstellung von Eigen- und Fremdkapital. Bürokratische Hürden sollen endlich reduziert werden, so dass neue Unternehmen und neue Arbeitsplätze entstehen können.

Steuersenkungen könnten dennoch die bereits angespannte Budgetlage weiter verschärfen. In Hinsicht einer ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit, wäre es zielgerecht längerfristig einen Teil der Ausgaben über ein effizientes Instrument wie Emissionshandel oder eine CO2 Abgabe zu finanzieren.

Schließlich, muss auch mehr in Sachen Bildung getan werden. Österreichische Schulen sind zwar international teuer, aber liefern nicht immer die erwünschten Ergebnisse. Das hat langfristige Konsequenzen für den Arbeitsmarkt, die Investitionen und das Wirtschaftswachstum und somit auch für die öffentlichen Finanzen. Jeder Euro, der sinnvoll in Bildung investiert wurde, zahlt sich doppelt und dreifach aus und kommt später in Form von Steuereinnahmen zurück. Wenn nur ein Prozent der AbsolventInnen pro Jahr statt einem mittleren Abschluss einen Hochschulabschluss erreicht, steigt das BIP langfristig um 0,3 Prozent und die Durchschnittseinkommen um 0,1 Prozent.

An dieser Stelle fragt man “Ja und wo müssen wir Ausgaben kürzen, so dass Steuern gesenkt werden können?“ Es steht fest: Viele Bereiche in Österreich funktionieren nicht effizient. So beispielsweise gibt Österreich in der Bildung pro Jahr etwa 10.600 Euro je Schüler aus. Damit erreicht Österreich beim aktuellen PISA Test der OECD 491 Punkte. Finnland erreicht mit Gesamtausgaben von 8.600 Euro je Schüler ganze 516 PISA Punkte und damit ein europäisches Spitzenergebnis. Ähnliche Effizienzpotenziale bestehen auch in anderen Bereichen der öffentlichen Ausgaben, wie z.B. der öffentlichen Verwaltung. Effizienzverbesserung bedeutet, dass man die Bürger entlasten kann ohne, dass die Qualität der öffentlichen Leistungen darunter leiden muss.

Diese wichtigen Maßnahmen werden helfen, um das Land auf ein höheres Wachstumsniveau zu bringen. Gleichzeitig bedarf es einer Umkehr bei der Entwicklung der öffentlichen Verschuldung. So begründbar der Anstieg der öffentlichen Verschuldung in der besonderen Krisensituation ist, so wichtig ist es auch, in „normalen“ Zeiten Budgetdisziplin zu wahren. Aufgrund der soliden Haushaltspolitik der letzten Jahre kann Österreich in der Krise besser agieren. Es benötigt einen konkreten Plan für eine rasche und nachhaltige Konsolidierung, sobald die Krise überwunden sein wird.

Dies wird ohne weitere Strukturreformen nicht möglich sein, denn öffentliche Finanzen waren bereits vor der Corona Krise nicht nachhaltig aufgestellt. Meine Kollegen haben im Rahmen des Schuldenchecks prognostiziert, dass die Staatsausgaben bis zum Jahr 2060 bedingt durch die demografische Entwicklung in den Bereichen Pensionen, Pflege, Gesundheit um 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen werden, das sind auf heute bezogen etwa 20 Mrd. Euro pro Jahr mehr. Die Demografie wirkt aber schon wesentlich früher, denn die Babyboomer gehen bereits jetzt in Pension. Das führt dazu, das in den nächsten 10 Jahren die Pensionsausgaben kumuliert um 19 Mrd. Euro höher ausfallen werden. In der Tat waren steigende Ausgaben für Pensionen bereits in den letzten Jahren ein wesentlicher Treiber der steigenden Ausgaben. Hierauf wird das Pensionssystem reagieren müssen. Eine Entscheidung muss getroffen werden. Sollen sinkende Pensionen oder steigende Beiträge, Steuern oder Schulden verhindern werdet, wird man um die Anpassung des gesetzlichen Antrittsalters zur Abfederung der steigenden Lebenserwartung nicht herumkommen.

Auch im Bereich des Föderalismus herrscht dringender Reformbedarf. Die Länder und Gemeinden haben kaum die Möglichkeit eigene Einnahmen zu generieren, dürfen aber weitgehend über die Ausgaben entscheiden. Das führt zu falschen Anreizen und einer erheblichen Ineffizienz. Dies ist in anderen Ländern, wie etwa der Schweiz oder den skandinavischen Ländern stärker an volkswirtschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtet. Dementsprechend ist eine grundlegende Reform des Finanzausgleichs notwendig, verbunden mit mehr Transparenz und Aufgabenorientierung.

Österreich steht vor riesigen Herausforderungen. Wenn es aber gelingt mit einem verlässlichen Fahrplan für eine nachhaltige Reform mit weniger Abgaben- und Bürokratiebelastung die Erwartungen zu stabilisieren und nach Überwindung der Krise die öffentlichen Finanzen nachhaltig zu gestalten, dann wird Österreich nach der Krise besser dastehen als zuvor und die Ziele der ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit gemeinsam erreichen können.“