Policy Note 42: Digitale Infrastruktur und Resilienz in Krisenzeiten

Dr. Wolfgang Briglauer                    Leiter des Forschungsbereichs Digitalisierung und Regulierung

Der Lockdown in vielen Staaten im Frühjahr 2020 stellte die moderne digitale Infrastruktur auf eine Bewährungsprobe. Die Netze erwiesen sich gegenüber den erhöhten Anforderungen gewachsen und offenbarten ihre zentrale Rolle für moderne Volkswirtschaften.

„Mit dieser gesamtwirtschaftlich bedeutenden Resilienzwirkung in Form einer substanziellen Abfederung des Rückgangs der wirtschaftlichen Gesamtleistung sowie einer in Folge erwartbaren schnelleren Erholung der Konjunktur geht eine bislang noch weitgehend unerforschte, jedoch potenziell besonders hohe positive Auswirkung von modernen Infrastrukturen und Online-Diensten einher“, so Wolfgang Briglauer, Leiter des Forschungsbereichs Digitalisierung und Regulierung bei EcoAustria, „aber auch in normalen Zeiten sind die ökonomischen Effekte moderner Breitbandinfrastruktur bedeutend.“

Eine heute erschienene EcoAustria Policy Note untersucht die zentrale Rolle von Breitbandinfrastrukturen in normalen Zeiten und in der aktuellen Krise. So zeigt die empirische Forschung, dass modernes, leistungsfähiges Internet („Hochbreitbandnetze“) und darauf basierende Dienste als Schlüsseltechnologie gesehen werden können, die in einer Volkswirtschaft großes Potenzial für Innovation, Produktivität, Beschäftigung, Unternehmensgründung und somit für das Wirtschaftswachstum allgemein entfaltet. Die positiven Auswirkungen der Verfügbarkeit und Adoption von Hochbreitbandnetzen und -diensten werden durch ein höheres Bildungsniveau und eine hohe IKT-Affinität auf Nutzerseite noch verstärkt. In Hinblick auf die Unterscheidung von städtischen und ländlichen Gebieten zeigt sich, dass letztere im besonderen Maße von den positiven Auswirkungen von Hochbreitband profitieren. In diesem Sinne sind auch die in den Breitbandzielen auf EU und nationaler Ebene formulierten Vollversorgungsziele für alle Haushalte und Unternehmen nicht nur aus verteilungspolitischen Gründen (Verringerung einer „digitalen Kluft“) positiv zu bewerten, sondern auch aus ökonomischen Effizienzüberlegungen zu rechtfertigen.

Die gesammelten Erfahrungen aus der Krisenzeit weisen auf eine Abwesenheit dauerhafter systemischer Beeinträchtigungen des Internets hin. Das Internet-Ökosystem hat sich insgesamt als resilient erwiesen und den pandemiebedingten Stresstest bislang ohne große Probleme überstanden. Die Problemauflösungsfähigkeit innerhalb des dezentral organisierten Internet-Ökosystems ist also in einem Umfang gegeben, dass hieraus kein Bedarf für staatliche Marktinterventionen abgeleitet werden kann.

Während sektorspezifische Deregulierung und Förderungen für den Ausbau von Hochbreitband in der Vergangenheit an Bedeutung gewonnen haben, wurde insbesondere auch die Relevanz lokaler Kapazitätserweiterungen sowie intelligenter Traffic Management Maßnahmen angesichts der pandemiebedingten, unvorhersehbaren Anstiege und strukturellen Änderungen im Internettraffic deutlich. Flexibles und dynamisch adaptives Traffic Management und Engineering stellen zentrale Bausteine dar, um die Bereitstellung gesamtwirtschaftlich relevanter Online-Dienste auch in Krisenzeiten mit erhöhter bzw. veränderter Internetnutzung zu gewährleisten.

Obwohl es in der Vergangenheit substanzielle öffentliche Fördermaßnahmen für den Hochbreitbandausbau gegeben hat, um für private Investoren nicht profitable Gebiete mit Hochbreitband zu versorgen, besteht nach wie vor eine gesellschaftliche digitale Kluft in Hinblick auf die tatsächliche Nutzung von Breitbanddiensten auf Nachfrageseite – Stichwort „e-literacy“: „Auch hier müssen konkrete Maßnahmen ansetzen, um die effektive Teilhabe in breiten Teilen der Bevölkerung zu erhöhen, damit essenzielle Online-Dienste künftig auch genutzt werden bzw. genutzt werden können“, so Briglauer.