Haushaltskonsolidierung unter Berücksichtigung geplanter einnahmenseitiger Maßnahmen

Mag. Ludwig Strohner
Leiter des Forschungsbereichs Öffentliche Finanzen

Die Covid-19-Krise und die Maßnahmen zur Eindämmung der Auswirkungen auf die Gesundheit, die Volkswirtschaft sowie die Einkommen der privaten Haushalte und Unternehmen lassen die öffentliche Verschuldung kräftig steigen. Es ist davon auszugehen, dass die Verschuldungsquote auf ein noch höheres Niveau als nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 zulegen wird. Anders als damals ist der Anstieg der Verschuldung nun nicht damit verbunden, dass die öffentliche Hand Aktiva in nennenswertem Umfang erwirbt, die zu einem späteren Zeitpunkt wieder verkauft werden können. Dazu kommt, dass ab Mitte des Jahrzehnts auch noch kräftige Ausgabensteigerungen im Zusammenhang mit der sozialen Absicherung im Alter bevorstehen. Diese Situation erfordert ein deutliches Gegensteuern zur Erreichung einer nachhaltig aufgestellten Fiskalpolitik. 

Im ersten Teil der von EcoAustria gemeinsam mit dem WIFO und dem IHS durchgeführten Studie wird der Frage nachgegangen, wie sich auf Basis der geltenden Gesetzesgrundlage die öffentlichen Finanzen entwickeln werden. Unter Heranziehung des Generationenkonten-Modells „Schulden-Check“ erfolgt eine Projektion des gesamtstaatlichen Defizits und der öffentlichen Verschuldung bis zum Jahr 2060. Basierend auf den Annahmen des Hauptszenarios legt die Staatsschuldenquote bis zum Ende des Betrachtungszeitraums auf knapp 190 Prozent des BIP zu. Vor der Covid-19-Krise wurde mit demselben Modell noch ein Anstieg auf weniger als 140 Prozent projiziert. Die Verschuldungsquote hätte zwar mittelfristig, bis in die 2030er Jahre, das Maastricht-Kriterium erfüllt, auf sehr lange Frist war die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen aber nicht gegeben. Derzeitig gilt dies nun noch weniger, auch nicht mittelfristig. Der projizierte kräftige Zuwachs der Verschuldung ist im Wesentlichen von drei großen Ausgabenbereichen getrieben. Dies sind die öffentlichen Pensions-, Gesundheits- und Pflegeausgaben. Die öffentlichen Einnahmen werden in Prozent des BIP zwar ebenso zulegen, jedoch in weit geringerem Umfang. 

Die Langfristigkeit des Analysezeitraums bedingt Unsicherheiten in Bezug auf die Entwicklung der treibenden Faktoren des Modells. Dem wird in dieser Studie mit Sensitivitätsanalysen Rechnung getragen. Würde die Alterung gemäß dem Alterungsszenario der Bevölkerungsprognose von Statistik Austria kräftiger ausfallen als im Hauptszenario (geringere Fertilität, Zuwanderung und Sterblichkeit), dann würde die Verschuldung auf über 250 Prozent des BIP zulegen. Eine günstigere Arbeitsmarktentwicklung als im Hauptszenario angenommen hingegen könnte den Anstieg dämpfen, wobei eine Reduktion der Arbeitslosenquote (nach internationaler Definition) um 1 Prozentpunkt den Anstieg um rund 20 Prozentpunkte verringert. Die Auswirkung einer ökosozialen Steuerreform auf die öffentlichen Finanzen hängt neben der Höhe der Steuer auch von der Art der Rückvergütung der Einnahmen ab. Bei einer Senkung von besonders verzerrenden Steuern, wie der Einkommensteuer, liefern Studien auch positive Wachstumseffekte. Folgt man diesen Ergebnissen, dann kann die Schuldenquote bei einem CO2-Preis von 100 Euro im Jahr 2060 um bis zu 25 Prozentpunkte reduziert werden, bei einer pauschalen Rückerstattung ist mit einem weiteren deutlichen Anstieg zu rechnen.
Einen deutlichen Einfluss auf die Verschuldungsdynamik hat die Zinsentwicklung, die zudem mit Unsicherheiten verbunden ist. Dauerhaft niedrige Zinsen bis zum Ende des Betrachtungshorizonts würden auf der einen Seite den Anstieg der Verschuldung auf etwa 130 Prozent des BIP begrenzen, wobei auch dieses Niveau noch einen erheblichen Zuwachs gegenüber der derzeitigen Situation darstellen würde. Auf der anderen Seite besteht das Risiko, dass der implizite Zinssatz für die öffentliche Verschuldung bereits deutlich früher wieder anzieht, als dies im Hauptszenario unterstellt wurde. Ginge in einer solchen Situation das Vertrauen der Märkte in die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen verloren und die Risikoprämie würde spürbar anziehen, dann könnte die Situation rasch außer Kontrolle geraten. 

Um die Verschuldungsquote wieder auf das Maastricht-Ziel von 60 Prozent des BIP zu drücken, ist eine deutliche Konsolidierung notwendig. Sollte das Ziel 15 Jahre nach Beginn der Konsolidierung (unterstellt wurde dafür das Jahr 2023) erreicht werden, dann beläuft sich die notwendige Konsolidierung auf eine Verbesserung des Primärsaldos im Ausmaß von rund 2,7 Prozent des BIP. Im Alterungsszenario beträgt das Konsolidierungsvolumen 3,7 Prozent des BIP. Selbst bei einer deutlich günstigeren Entwicklung am Arbeitsmarkt wären immer noch 2,2 Prozent notwendig. Um auch im Jahr 2060 das Maastricht-Ziel einer Verschuldungsquote von maximal 60 Prozent zu erfüllen, ist als Folge der voranschreitenden Alterung der Gesellschaft eine darüberhinausgehende Konsolidierung notwendig. Im Hauptszenario beläuft sich diese auf insgesamt rund 3,4 Prozent des BIP, im Alterungsszenario auf 4,8 Prozent. Die Höhe des erforderlichen Konsolidierungsausmaßes, um das Maastricht-Ziel zu erreichen, erfordert eine umfassende Konsolidierungsstrategie mit besonderem Fokus auf institutionelle Reformen. 

Die empirische Literatur liefert umfassende Ergebnisse hinsichtlich der Erfolgsfaktoren von Konsolidierungen. Einen breiten Raum nimmt die Diskussion ein, ob der Fokus von Konsolidierungen auf der Ausgaben- oder Einnahmenseite liegen soll, um erfolgreich zu sein. Die meisten Studien kommen zu dem Schluss, dass ausgabenseitige Konsolidierungen eine deutlich höhere Erfolgswahrscheinlichkeit aufweisen, das Ziel einer Reduktion der Verschuldung zu erreichen, als dies bei einnahmenseitigen Konsolidierungen der Fall ist. Dabei macht es aber einen Unterschied, bei welchen Ausgaben die Konsolidierung ansetzt. Insbesondere sollten laufende Ausgaben und die dynamischen öffentlichen Ausgabenbereiche berücksichtigt werden. Öffentliche Investitionen sollten von den Maßnahmen weitgehend unberührt bleiben, da diese zumeist komplementär zur privaten Investitionstätigkeit stehen. 

Des Weiteren spielen Fiskalregeln eine wesentliche Rolle für den Erfolg. Zumindest drücken diese die Entschlossenheit der politischen Entscheidungsträger zur Konsolidierung aus, was wiederum positiv auf den Erfolg wirkt. Auch eine klare Kommunikation der Konsolidierungsstrategie ist wesentlich, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Beginns einer Konsolidierung ist die Empirie nicht ganz eindeutig. Während manche Untersuchungen keinen Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Ausgangssituation und dem Erfolg einer Konsolidierung finden, sollte dennoch die Konsolidierung während stabiler wirtschaftlicher Rahmenbedingungen erfolgen. Das Beispiel Griechenland hat gezeigt, dass Reformbemühungen in einem schwierigen gesamtwirtschaftlichen Umfeld nur sehr schwer umzusetzen sind. 

Im Rahmen einer Konsolidierung ist eine adäquate Einschätzung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie der Auswirkungen der Konsolidierung bedeutend. Eine zu optimistische Einschätzung über die wirtschaftliche Entwicklung kann zu Reformwiderstand führen und die Bemühungen untergraben, während eine zu pessimistische Einschätzung bewirken kann, dass Konsolidierungen nicht angegangen werden. In der vorliegenden Studie wurden ausgaben- und einnahmenseitige Konsolidierungsmaßnahmen auf ihre volkswirtschaftlichen und fiskalischen Folgewirkungen hin untersucht. In allen untersuchten Reformen, mit Ausnahme einer Erhöhung des gesetzlichen und tatsächlichen Pensionsantrittsalters, ist mit der Konsolidierung eine negative wirtschaftliche Entwicklung verbunden. Im Falle des Pensionsantrittsalters legt das BIP deutlich zu, ebenso wie Investitionen und Beschäftigung. Die Konsolidierung über eine Zurückhaltung beim öffentlichen Konsum übt mittel- und längerfristig nur moderat negative Wachstumseffekte aus. Der Wegfall der öffentlichen Nachfrage wird in großem Umfang durch private Nachfrage kompensiert. Bei den Abgaben zeigt sich bezüglich der Wertschöpfung der geringste Effekt bei einer Erhöhung der Umsatzsteuer und der stärkste bei der Körperschaftsteuer. Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung und die Lohn- und Einkommensteuer wirken etwas kräftiger als die Umsatzsteuer. Zu beachten ist, dass die Lohn- und Einkommensteuer sowohl Erwerbstätige als auch PensionistInnen und andere Einkünfte betrifft, während bei der Sozialversicherung unterstellt wurde, dass lediglich Erwerbstätige zur Finanzierung beitragen. 

Die Ergebnisse zeigen, dass ein möglichst großer Teil der Konsolidierung über die Nutzung von Effizienzpotenzialen erfolgen sollte. Eine Anhebung des Pensionsantrittsalters kann maßgeblich zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen beitragen. Dieser Schritt könnte auch damit begründet werden, dass ein großer Teil der zukünftigen zusätzlichen Ausgaben als Folge der höheren Lebenserwartung im Bereich der Pensionen angesiedelt ist. Konsolidierungen über Maßnahmen im Bereich der Abgaben haben über reine Nachfrageeffekte hinaus verzerrende Wirkungen bezüglich der Entscheidungen der privaten Haushalte und Unternehmen zur Folge und dämpfen die wirtschaftliche Entwicklung stärker. Dies wiederum verringert das Ausmaß der Verbesserung des Primärsaldos, da geringeres Wachstum und niedrigere Beschäftigung eine schwächere Einnahmendynamik und höhere Ausgaben zur Folge haben. Als Folge davon wären noch kräftigere Abgabenerhöhungen notwendig, um ein entsprechendes Konsolidierungsziel zu erreichen. Erhöhungen von Sozialversicherungsbeiträgen wirken dabei kräftig auf die Beschäftigung, die Körperschaftsteuer auf die Investitionstätigkeit und die Produktivität. Die Auswirkungen bei einer Erhöhung der Lohn- und Einkommensteuer sind mit den Ergebnissen der Dienstnehmerbeiträge vergleichbar. Je kräftiger die Belastung der Einkommen aus Erwerbstätigkeit und je geringer jene von Pensionseinkommen erfolgt, desto ausgeprägter fallen die entsprechenden volkswirtschaftlichen Effekte aus. Bei der Umsatzsteuer ist der private Konsum stärker betroffen, die Effekte auf Beschäftigung und Investitionen sind jedoch geringer. 

Der effiziente Einsatz öffentlicher Mittel ist eine Voraussetzung für nachhaltige Finanzen. Der Vergleich mit anderen Ländern oder innerhalb eines Landes bietet die Möglichkeit, Effizienzpotenziale zu eruieren und Ausgabensteigerungen zu dämpfen. Die internationalen und nationalen Benchmarking-Analysen zeigen, dass Österreich in wesentlichen öffentlichen Aufgabebereichen hohe Ausgaben, jedoch nur durchschnittlichen Output bzw. Outcome erreicht. Die Benchmarking-Analyse ist abstrakt und kann eine umfassende Struktur- und Systemevaluierung nicht ersetzen. Dennoch identifizieren die Ergebnisse des Benchmarkings Politikbereiche, in denen Potenziale einer effizienteren Aufgabenerfüllung bestehen. 

Die internationale Benchmarking-Analyse stellt in den Bereichen Verwaltung, Bildung und Gesundheit den Ausgaben Leistungsindikatoren gegenüber. Dabei wird der Vergleich bewusst nur mit Ländern vorgenommen, die zumindest den Output bzw. Outcome Österreichs erreichen und damit über ein vergleichbares oder besseres Leistungsangebot verfügen. Über alle drei betrachteten Bereiche hinweg ergibt sich nach dem Benchmarking-Ansatz ein Effizienzpotenzial von etwa 5 Mrd. Euro und mehr, je nach den gewählten Vergleichsländern. Die Effizienzpotenziale dieses internationalen Vergleichs spiegeln sich auch im nationalen Benchmarking auf Bundesländerebene wider. Im nationalen Benchmarking werden die Aufgabenbereiche öffentliche Länder- und Gemeindeverwaltung, stationäre und ambulante Gesundheitsleistungen in den Krankenanstalten, stationäre und mobile Pflegedienstleistungen sowie Allgemeines Pflichtschulwesen untersucht. Über diese Bereiche ergibt sich ein Effizienzpotenzial von etwa 5,3 Mrd. Euro. 

Budgetkonsolidierungen finden nicht in einem institutionellen Vakuum statt, sondern sind in ein Geflecht aus nationalen, subnationalen und supra-nationalen Rahmenbedingungen und Regeln eingebettet. Das politisch-institutionelle Gefüge ist dabei eine zentrale Einflussgröße für die (politischen) Anreize und Erfolgsaussichten von Konsolidierungsbemühungen. Reformen sind vor allem in ‚schlechten Zeiten‘ wahlpolitisch riskanter als während eines wirtschaftlichen Aufschwungs. Theoretisch ist es auch aus politökonomischer Sicht ideal, während der Rezession fiskalpolitisch noch relativ expansiv zu bleiben und Konsolidierungsmaßnahmen erst vorzusehen, wenn sich die Wirtschaft wieder erholt. Generell ist in Befragungsstudien die politische Akzeptanz von Konsolidierungsmaßnahmen primär davon abhängig, ob die Respondenten glauben, von einer konkreten Politikmaßnahme zur Schließung der Budgetlücke besonders negativ betroffen zu sein. So zeigt sich, dass die Opposition gegen Konsolidierungen zunimmt, wenn der budgetpolitische Kurs als wenig fair und als unglaubwürdig wahrgenommen wird. Das günstige Zinsumfeld verschafft, in Verbindung mit der Bereitschaft der Notenbanken zur Fortführung der unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen, den Regierungen zusätzliche Zeit für eine über eine längere Zeitspanne verteilte Konsolidierung ihrer Haushalte. Dabei gilt es jedoch zu verhindern, dass die politischen Anreize zu einer Konsolidierung durch die Erwartung einer lange anhaltenden Niedrigzinsphase untergraben werden. Die rechtzeitige und planmäßig vollzogene Rückkehr zur allgemeinen Anwendung des Fiskalregelwerks ist in dieser Hinsicht empfehlenswert.