Policy Note 54: Kinderbetreuung und Vereinbarkeit im internationalen Vergleich

Mag. Nikolaus Graf
Leiter des Forschungsbereichs Wettbewerbsfähigkeit

Österreich im schwächsten Drittel bei Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Europa  

Um Strukturen und Rahmenbedingungen der institutionellen Kinderbetreuung im internationalen Vergleich zu bewerten, hat EcoAustria einen vergleichenden Scoreboard-Indikator entwickelt. Dieser Indikator berücksichtigt Leistungskennzahlen der Kinderbetreuung sowie Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ähnlich wie in der Betrachtung von 2021 zeigen sich für Österreich hohe Aufholpotenziale. Dabei hat sich der Indexwert gegenüber der letzten Berechnung im Jahr 2021 marginal von 0,47 auf 0,48 des zum Bestwert 1 skalierten Index verbessert. Die führenden Staaten, wie etwa Schweden und Dänemark (jeweils 0,78), aber auch Slowenien (0,77) oder Norwegen (0,71) erzielen deutlich höhere Werte. 

Reduzierter Ländervergleich im Scoreboard nach Einzelindikatoren

Die aktuelle Betrachtung des Index zeigt, dass für Österreich im internationalen Vergleich weiterhin Aufholpotenziale bestehen. Im Vergleich mit 29 Ländern (EU-27 plus Schweiz und Norwegen) belegt Österreich aktuell den 20. Platz. Obwohl sich der Indexwert gegenüber der Betrachtung im Jahr 2021 marginal verbessert hat, hat sich die Position im Ranking nicht verändert.  

Aufholpotenziale liegen insbesondere in einer Erhöhung der Kinderbetreuungsquote bei unter Dreijährigen mit längeren Betreuungszeiten über 29 Stunden pro Woche.  „Hier gilt es, sich an den skandinavischen Ländern oder auch Slowenien zu orientieren, die höhere Betreuungsquoten als hierzulande aufweisen. Institutionelle Kinderbetreuung findet bei unter Dreijährigen in einem nennenswerten Ausmaß nur bei kurzen Betreuungsumfängen unter 30 Stunden pro Woche statt. Eine tägliche Betreuungszeit von weniger als sechs Stunden ist kaum mit einer Vollzeitbeschäftigung der Mütter bzw. beider im Haushalt lebenden Elternteile vereinbar“, so EcoAustria Direktorin Monika Köppl-Turyna. 

In Slowenien herrscht zudem eine höhere Erwerbsbeteiligung von Müttern in Form von Vollzeitbeschäftigung. In Österreich ist hingegen Teilzeitbeschäftigung von Müttern weit verbreitet. Dies führt zu betreuungsbedingten Diskontinuitäten in den Erwerbskarrieren von Müttern und trägt zu einem überdurchschnittlichen Gender Pay Gap bei. Hier liegt Österreich mit einem Indexwert von 0,13 nur knapp über dem im Vergleichsrahmen schlechtesten Wert im Ranking.  

Nicht zuletzt stellt auch der aktuelle Arbeitskräftemangel eine Herausforderung für Österreich dar.  „Für eine Ausweitung der Kinderbetreuung sind qualifizierte Fach- und Betreuungskräfte und ebenso assistierende MitarbeiterInnen erforderlich, die bei gegebener Arbeitskräfteknappheit insbesondere in ruralen, kleinräumigen Siedlungsgebieten nicht so leicht gefunden werden können. Die Ausweitung der Kinderbetreuung muss effizient erfolgen und Kooperationsvorteile sowie überregionale Synergien genutzt werden“, fordert Köppl-Turyna.