Budget-Hearing: Auf die ökosoziale Steuerreform müssen weitere Reformschritte folgen

Statement von Priv.-Doz. Dr. Monika Köppl-Turyna, Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, am 5.11.2021 im Rahmen des Budget-Hearings im Nationalrat:

„Die akute wirtschaftliche Krise im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie liegt zwar noch nicht ganz hinter uns, aber Österreich befindet sich wieder auf stabilem Wachstumskurs. Dieser wird fürs nächste und übernächste Jahr, getrieben von der Steuerreform und allgemeinem starken Konsum, auf 4,4 bzw. 5,0 Prozent prognostiziert. Danach schwächen die Aussichten ab und stabilisieren sich auf dem Niveau von etwa 2 Prozent jährlichem Wachstum. Die Erholung vom pandemiebedingten Wirtschaftseinbruch stärkt zwar kurzfristig das Wachstum, für eine langfristige Wirkung braucht es einen wettbewerbsfähigen Standort, der Innovationen befördert. Dieser kann aber nur durch strukturelle Reformen gesichert werden.

Die Ökosoziale Steuerreform hat hier einen Beitrag geleistet. Positiv hervorzuheben ist die Einführung der CO2-Bepreisung. Auch wenn der Preis zunächst eher günstig scheint, so steigt er zumindest bis 2025 auf ein in der EU überdurchschnittliches Niveau, womit eine signifikantere Lenkungswirkung zu erwarten ist. Zu begrüßen ist in diesem Zusammenhang die Entlastung des Faktors Arbeit und die Rückverteilung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Bevölkerung. Alle Maßnahmen der Steuerreform bringen nach den Berechnungen von EcoAustria die Chance auf etwa 30 Tausend zusätzliche Arbeitsplätze und einen mittelfristigen Anstieg des BIP um ein Prozent. Die Abgabenquote wird aufgrund der Steuerreform bis 2025 um fast einen Prozentpunkt niedriger ausfallen. 

Dennoch müssen jetzt weitere Schritte folgen.

Eines der Kernelemente bleibt trotz der Steuerreform die hohe Abgabenlast. Diese führt dazu, dass den Arbeitnehmern zu wenig von ihrer Arbeit bleibt und den Unternehmen Luft für mehr Investitionen genommen wird. Daher sollte die hohe Belastung des Faktors Arbeit mit Steuern und Lohnnebenkosten weiter gesenkt werden. Wichtig ist auch, dass die Abgabenlast nicht wieder heimlich steigt, in dem die kalte Progression endlich abgeschafft wird. Diese hat mitunter dazu geführt, dass sich die Belastung der Arbeit trotz mehrerer Reformen seit dem Jahr 2000 de facto nicht verändert hat. Im noch längeren Zeitvergleich hat beispielsweise ein Arbeitnehmer mit einem Einkommen um die Höchstbeitragsgrundlage im Jahr 1975 44,5 Prozent des Bruttoeinkommens an einkommensabhängigen Abgaben abführen müssen. Heute zahlt eine Person, die Mindestlohn bezieht, 44,2 Prozent. Darüberhinausgehende Einkommen werden entsprechend höher belastet. Dieser Zustand ist ein erheblicher Nachteil im internationalen Wettbewerb, nicht zuletzt, weil aufgrund der Digitalisierung die Arbeitskräfte international mobiler werden und sich Ihren Wohnsitz künftig woanders suchen können. Ein attraktiver Standort ist für Arbeitnehmer zentral, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen.

Die in der Steuerreform vorgesehene Senkung der international überdurchschnittlich hohen Unternehmensbesteuerung ist ein wichtiger Schritt zur Sicherung der Standortattraktivität. Nun sollen weitere folgen, wie etwa Etablierung der Möglichkeit des Verlustrücktrages – zumindest bis die gesundheitliche Krise endgültig vorbei ist und Einführung der steuerlichen Gleichstellung von Eigen- und Fremdkapital. Um die heimische Start-Up und Scale-Up Szene zu beleben, wäre eine Reform der Besteuerung der Mitarbeiterbeteiligungen denkbar – und zwar Besteuerung im Rahmen der Kapitalertrag- anstatt der Einkommensteuer. Zu der Innovationsfähigkeit eines Landes gehört aber nicht nur Schaffen der Rahmenbedingungen für Unternehmen – die Schritte müssen viel früher gesetzt werden. Am besten bereits im Kindergarten. Und auch hier hat Österreich einen massiven Aufholbedarf. Österreich verfehlt das Barcelona-Ziel einer Kinderbetreuungsquote von 33 Prozent bei den unter 3-Jährigen recht deutlich, wir geben auch etwa die Hälfte davon aus, was in diesem Bereich in Dänemark investiert wird. Aber genau hier muss man investieren, um längerfristig Bildungserfolge zu erzielen, die das Einkommen und die Chancen der betroffenen Kinder erhöhen. Auch das stärkt die Produktivität und den Standort. 

Um Abgaben dauerhaft senken und wichtige Investitionen tätigen zu können ohne Gefahr zu laufen, dass in den Staatsfinanzen ein Defizit verbucht wird, werden vor allem ausgabenseitige Reformen benötigt. So begründbar der Anstieg der öffentlichen Verschuldung in der besonderen Krisensituation ist, so wichtig ist es auch, in „normalen“ Zeiten Budgetdisziplin zu wahren. Aufgrund der soliden Haushaltspolitik der letzten Jahre konnte Österreich in der Krise besser agieren. Zu den wichtigsten Bereichen mit Reformbedarf gehören: das Pensionssystem, die Effizienz öffentlicher Ausgaben und die föderale Struktur.

Viele Bereiche in Österreich funktionieren nicht effizient. Beispielsweise wird in Österreich für die Bildung pro Jahr etwa 10.924 Euro je Schüler ausgegeben. Damit erreicht Österreich beim aktuellen PISA Test der OECD 491 Punkte. Finnland erreicht mit Gesamtausgaben von 8.942 Euro je Schüler ganze 516 PISA Punkte und damit ein europäisches Spitzenergebnis – um 1.980 Euro pro Schüler weniger. Ähnliche Effizienzpotenziale bestehen auch in anderen Bereichen der öffentlichen Ausgaben, wie z.B. der öffentlichen Verwaltung. Effizienzverbesserung bedeutet, dass man die Bürger entlasten kann ohne, dass die Qualität der öffentlichen Leistungen darunter leiden muss. 

Meine Kollegen haben über unser Generationenkontenmodell prognostiziert, dass die Staatsausgaben bis zum Jahr 2060 bedingt durch die demografische Entwicklung in den Bereichen Pensionen, Pflege, Gesundheit um 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen werden, das sind auf heute bezogen zusätzlich etwa 17 Mrd. Euro pro Jahr mehr. Die Demografie wirkt aber schon wesentlich früher, denn die Babyboomer gehen bereits jetzt in Pension. Das führt dazu, dass in den nächsten 10 Jahren die Pensionsausgaben kumuliert um 19 Mrd. Euro höher ausfallen werden. In der Tat waren steigende Ausgaben für Pensionen bereits in den letzten Jahren ein wesentlicher Treiber der steigenden Ausgaben. Hierauf wird das Pensionssystem reagieren müssen. Eine Entscheidung muss getroffen werden. Sollen sinkende Pensionen oder steigende Beiträge, Steuern oder Schulden verhindert werdet, wird man um die Anpassung des gesetzlichen Antrittsalters zur Abfederung der steigenden Lebenserwartung nicht herumkommen. Und hier ist wichtig zu betonten, dass die Anhebung des faktischen Alters zwar die Lage kurzfristig entspannt aber das Problem nicht dauerhaft löst.

Auch im Bereich des Föderalismus herrscht dringender Reformbedarf. Die Länder und Gemeinden haben kaum die Möglichkeit eigene Einnahmen zu generieren, dürfen aber weitgehend über die Ausgaben entscheiden. Das führt zu falschen Anreizen und einer erheblichen Ineffizienz. Dies ist in anderen Ländern, wie etwa der Schweiz oder den skandinavischen Ländern stärker an volkswirtschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtet. Dementsprechend ist eine grundlegende Reform des Finanzausgleichs notwendig, verbunden mit mehr Transparenz und Aufgabenorientierung.

Österreich steht vor riesigen Herausforderungen: durch Demografie, den Klimawandel und die Digitalisierung. Wenn es aber gelingt mit einem verlässlichen Fahrplan für eine nachhaltige Reform mit weniger Abgaben- und Bürokratiebelastung den Standort zu stärken und nach Überwindung der gesundheitlichen Krise die öffentlichen Finanzen nachhaltig zu gestalten, dann wird Österreich besser dastehen als zuvor und die Ziele der ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit erreichen.“